Chemische Prozesse in der Wirbelschicht

Chemische Prozesse in der Wirbelschicht



Dipl.-Ing. Ralf Sonnen

SONNEN Engineering & Consulting

für die verfahrenstechnische Industrie

In der verfahrenstechnischen Industrie nimmt die selektive Herstellung und Verarbeitung von Feststoffen zunehmend einen höheren Stellenwert ein. Bei den bestehenden Technologien (Prozesse + technische Komponenten) stellt man sich immer wieder die Frage, wo liegt noch ein Optimierungspotenzial? Wie kann eine Technologie noch effizienter, aber auch noch sicherer gestaltet werden? Dabei stößt man bei der traditionell eingesetzten Technik oft an Grenzen. Das Potenzial von Wirbelschicht-Reaktoren ist dagegen noch lange nicht ausgeschöpft.

Fließbett- und Wirbelschicht-Reaktoren haben sich seit vielen Jahren im Temperaturbereich < 300°C zur thermischen Behandlung, Trocknung, Umwandlung und Reinigung von Feststoffen in pulverisierter oder granulierter Form bewährt. Aufgrund der steigenden Anforderungen an Produktqualität und Wirtschaftlichkeit kommt es zu einer ständigen Weiterentwicklung der Wirbelschicht-Reaktoren und so zum Einsatz bei neuen Applikationen. Auch ist das Interesse nach Gas-/Feststoffreaktionen bei hohen Temperaturen (bis zu 1200°C) und erhöhtem Reaktionsdruck (30bar) stark angestiegen. Diesen Anforderungen wird der Hochleistungs-Wirbelschicht-Reaktor der Firma SCHWING Fluid Technik GmbH gerecht, der auf Basis langjähriger Erfahrung bei thermischer Reinigung und des Contract Cleanings bei hohen Temperaturen, entwickelt wurde.

Schwebendes Verfahren: „Wirbelschicht“

Eine Wirbelschicht entsteht, wenn eine Schicht von pulverförmigem Material mit Gas aufwärts durchströmt wird. Dafür ist eine spezielle Bodenplatte notwendig, welche für die Prozessgase durchlässig ist, jedoch vermeidet, dass die Pulverpartikel nach unten durchdringen. Das Gewicht der Pulverpartikel wird durch die Aufwärtsströmung der Gase kompensiert und versetzt die Partikel in einen schwebenden Zustand. Das Pulver verhält sich dann ähnlich einer Flüssigkeit. Die einzelnen Partikel verbleiben dabei in Feststoffform.

Die Vorteile des hier beschriebenen Hochleistungs-Wirbelschicht-Reaktors bestehen in:

Der großen Kontaktfläche von Feststoffpartikeln und Gasphase

Durch intensive Mischung der Reaktanten ist ein exzellenter Stoff- und Wärmeübertragung gewährleistet.

Dezidierte Beheizungszonen ermöglichen eine präziser Regelung der Prozesstemperatur und somit eine sehr guter Temperaturkonstanz.

Um unnötige Energiekosten, Produkt-Schädigungen und Produkt-Verluste zu vermeiden, sind Hoch-Turbulenzen unerwünscht. Dies wird erreicht durch eine an Material und Reaktion angepasste Fluid-Bodenplatte.

Deren einstellbare Durchlassöffnungen erlauben dezidierte Gas-Druckverluste und somit produktspezifische Gasgeschwindigkeiten in den Wirbelschichtzonen. Als Ergebnis erzielt man homogene und reproduzierbare Prozesskonditionen.

Im Reaktor eingebaute, periodische abreinigbare Filter reinigen das Abgas und recyclieren den Feststoff in die Wirbelschicht. Selbstverständlich ist der Einsatz verschiedener Reaktionsgase und Gasgemische sowohl in Batch- oder bei Konti- Fahrweise möglich.

Austragen von gasförmigen Produkten bzw. Nebenprodukten aus dem Reaktionssystem

Einsatzmöglichkeit verschiedener Reaktionsgase und Gasgemische

Integrierbare Wärmetransfersysteme kompensieren Reaktionswärmen

Kompakte Bauweise.

Einsatz von Hochleistungs-Wirbelschicht-Reaktoren:

Ein aktuelles Thema ist die Oberflächenmodifikation von nanoskaligen Metalloxidpulvern. Im ersten Ansatz wird man vermuten, dass die Turbulenzen einer Wirbelschicht verstärkt zu Agglomeratbildungen führen. Durch eine an Material und Reaktion angepasste Fluid-Bodenplatte lässt sich dies einschränken-

Ein wirtschaftlich lukrativer Einsatzbereich ist zum Beispiel die Wertstoff-Rückgewinnung von Edelmetallen aus Suspensions-Katalysatoren. Aktivkohle als Trägermaterial der Edelmetalle wird verascht. Die Edelmetall-Rückgewinnung kann sowohl chargenweise wie auch kontinuierlich erfolgen.

Um einen Rückgewinnungsgrad von nahezu 100 % zu erzielen, ist eine Partikelabscheidung aus den austretenden Fluidgasen über hochtemperaturbeständige Filterkerzen oder Zyklone vorzunehmen. Von keramischen Auskleidungen der Retorte ist aus Verschleiß- und Verunreinigungsgründen abzusehen.

Hochleistungs-Wirbelschicht-Reaktoren eignen sich sehr gut für zahlreiche Prozesse darunter:

•pulverförmige Feststoffe (Hydroxide, Carbonate, Oxalate) werden im Inertgasstrom thermisch behandelt und zersetzt (kalziniert),

•pulverförmige Katalysatoren werden aktiviert durch Behandlung mit einem speziellen Gasgemisch,

•Oxidation von (nanoskaligen) Metallpulvern mit oxydativen Gasen,

•Reduktion von Oxiden zu reinen Metallpulvern mit reduktiven Gasen,

•Oberflächenvergrößerung von Adsorptionsmitteln durch gezielte chemische Reaktion,

•heterogene Katalyse für Gas-Gas Reaktion an einer katalytischen Wirbelschicht,

•Entfernen von Feuchte und / oder Kristallwasser durch Trocknen

•Tempern und Wärmebehandlung von Mehrkomponentengemischen,

•und viele andere ....

Fluidgase wie Luft, Propan, Argon, Stickstoff, Kohlendioxid, Helium, Sauerstoff, Wasserstoff, Wasserdampf, Trichlorsilan, werden bereits als Reaktionsgase bzw. Inertgase verwendet. Industrieller Einsatzbedarf für Hochleistungs-Wirbelschicht-Reaktoren ist zum Beispiel gegeben bei:

der Aktivierung von A-Kohle und deren Re-Aktivierung, Katalysatoren Aufarbeitung und Reaktivierung,

Edelmetall-Recycling durch Röstung,

Kieselsäure- oder Phosphat-Kalzination,

Herstellungsschritt bei Polysilizium,

Pigment- und Ruß-Herstellung,

um nur einige interessante Applikationen zu benennen. Generell hat sich bestätigt, dass noch weiteres Applikationspotenzial besteht (Nanopartikel-Produktionsschritt, Coatings, etc.).

Prozessentwicklung und Skalierbarkeit

Der Einsatz eines Hochleistungs-Wirbelschicht-Reaktors für prozesstechnische Anwendungen erfordert eine enge Kooperation zwischen dem Anlagenbauer und dem Auftraggeber. Das geschieht unter Berücksichtigung der spezifischen Anforderungen des jeweiligen chemischen Prozesses, der Materialeigenschaften und der geforderten Produktparameter und -qualität.

Der Entwicklungsprozess beginnt mit einer Serie von Fluidversuchen, die den Aufschluss über die typischen Fluidparameter des umzuwandelnden Pulvers, sowie der Zwischen- und Endprodukte geben. Diese erste Phase wird in einem mit einer Fluidvorrichtung ausgestatteten transparenten Laborzylinder (Bild 1) unter Umgebungskonditionen durchgeführt und ist für einen potentiellen Anwender der WS-Technologie in der Regel kostenlos. Die Fluidversuche liefern Informationen über das Verhalten der Materialien in einer Wirbelschicht und ermöglichen eine objektive Beurteilung deren Fließeigenschaften. Die ermittelten Fluidparameter zuzüglich der vom Auftraggeber festgelegten Prozessparameter dienen zur Erstellung eines Testprogramms für Laborversuche.

Heiß“-Versuche zeigen den optimalen Weg, um Machbarkeit, Produktqualität und Optimierungspotential zu prüfen. Diese Versuche werden in der Regel als Chargenbetrieb im sogenannten DIP-Reaktor (5 bis 8 Liter - Bild 2) unter Prozessbedingungen durchgeführt, wobei selbstverständlich Proben während der Tests entnommen werden können. Unterschiedliche Gase können zugeführt und deren Mengen bestimmt werden. Daten zum Fluidgasstrom und dessen Zusammensetzung, Prozesstemperaturen (bis 1100°C) sowie Aufheiz-, Halte- und Abkühlzeiten der einzelnen Prozessschritte werden in einem Bericht dokumentiert.

Die gewonnenen Erkenntnisse führen zu einer weiteren Optimierung des Verfahrens und dienen als Grundlage für sogenannte Scale-Up Versuche in einer Pilotanlage.

Es stehen mehrere Pilotierungsreaktoren (bis zu 100 Liter – Bild 3) zur Verfügung. Der untere Teil des Reaktors stellt jeweils die eigentliche Wirbelschicht dar. Durch den speziellen Fluidboden wird das Fluidgas verteilt und das eingebrachte Medium fluidisiert. Über verschiedene, einzeln regulierbare Heizzonen wird die erforderliche Wirbelschicht-Temperatur realisiert. Im oberen Teil des Reaktors (Freeboard) befinden sich die Filterelemente. Feinstaub wird hier abgeschieden und in die Wirbelschicht zurückgeführt. Die Temperatur des Freeboard wird über eine weitere, separate Heizzone eingestellt.

Eine derartige Vorgehensweise minimiert das Scale-Up-Risiko. Auf Basis der gewonnen Daten kann Auslegung und Lieferung einer kommerziellen Anlage erfolgen. Nicht überall ist der Wirbelschicht-Reaktor das Mittel der Wahl und wird das traditionelle Drehrohr nicht generell ersetzen können.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Wirbelschicht für chemische Reaktionen eine sehr selektiv arbeitende Prozesstechnologie ist. Nicht nur im Bereich Nanotechnologie wird sich diese Technologie immer mehr etablieren und verfeinern.

Die Wirbelschichttechnologie ist künftig in jedem Falle in die betriebswirtschaftlichen Überlegungen einzubeziehen. Investitionskosten und Betriebsmittelkosten sind in vielen Fällen bis zu 30 % niedriger als herkömmliche Lösungen.

Weitere Informationen:

https://edir.bulk-online.com/oldedirredirect/205970.htm

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